Simone Sandroni: »Der Frühling« | Ballett des Theaters Trier | Foto: Bettina Stöß
Die Uraufführung 4×4: ein inspirierender Auftakt des Tanzfestivals
Vier Tanzkompanien interpretieren je eine Saison der 4 Jahreszeiten
Die Ausgabe 2022 des Tanzfestivals Saar startete am 11. März mit einem begeisternden Publikumserfolg, lang anhaltendem Beifall des Publikums und Standing Ovations.
Die Idee, vier Tanzensembles mit Gastchoreografen zur Interpretation der „Vier Jahreszeiten“ von António Vivaldis Violinkonzert in Verbindung mit modernen Bearbeitungen der barocken Vorlage zusammenzubringen war ein Volltreffer. Ein echter Glücksfall angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen der Corona Pandemie.
Die Chefs des Saarländischen Staatsballetts (Stijn Celis), des Dance Theatre Heidelberg (Ivan Pérez), des Balletts Trier (Roberto Scafati) und von TANZ Bielefeld (Simone Sandroni) studierten eine der vier Jahreszeiten als Gastchoreografen parallel zum regulären Proben- und Spielbetrieb ein.
Simone Sandro entschied sich für den „Frühling“. Mit dem Trierer Ensemble verabredete er ein Brainstorming zu Begriffen, die mit Frühling assoziiert werden: Stille, Neuanfang, Explosion. Seine Choreografie zu der von Milian Vogel besorgten Bearbeitung von Antonio Vivaldi’s „Vier Jahreszeiten“ markiert den Auftakt für einen erfolgreichen Tanzabend. Vogelgezwitscher schwirrt über die Bühne. Zeitlupenhafte Bewegungen der Tanzcrew, erinnern an Vögel, die sich strecken und ihr Gefieder aufplustern. Sie verweisen auf das langsame Erwachen der Natur, die binnen kurzer Zeit explodierend erblüht. Die ProtagonistInnen auf der Bühne zeigen das mit zunehmender Dynamik und rauschhaftem Verve, kongenial zu den frühlingshaft zirpenden Geräuschklängen des Komponisten Milian Vogel, der mit Kürzestausschnitten , die Originalmusik von Antonio Vivaldi zitiert. Die luftigen bunten Kostüme (Carola Vollath) symbolisieren die Farbexplosionen der bunten Frühlingspracht. Ein Auftakt nach Maß.
Den „ Sommer“ hat sich der künstlerische Leiter des Tanztheater Heidelberg, Ivan Pérez, gemeinsam mit dem Bielefelder Ensemble vorgenommen. Sie ließen sich von der prallen Sommerhitze, aber auch von bedrängenden und Angst erregenden Phänomenen wie Blitz und Donner, Gewitter und Sturm inspirieren, die sie zur Musik von Miguelángel Clerc Parada und Vivaldi (Kostüme: Sandra Maria Paluch) mit ihren tänzerischen Mitteln in anarchisch-irrationaler Dynamik und viel Verve in stupender Manier auf der Bühne sinnlich erfahrbar machen.
Die Wahl des Saarbrücker Ballettchefs Stijn Celis fiel auf den „Herbst“, den er zur Musik von Max Richter (Kostüme: Katharina Andes) mit drei TänzerInnen aus der Mitte des Dance Theatre Heidelberg auf die Bühne zaubert. Ihm geht es darum, mit den Mitteln des Tanzes die besondere Stimmung des Herbstes einzufangen mit seinen reifen Früchten und den trockenen Blättern, die nach und nach von den Bäumen fallen, und Loslassen und Vergänglichkeit symbolisieren. Die Heidelberger TänzerInnen erfüllen diese Aufgabe mit Bravour.
Roberto Scafati, der Trierer Ballettdirektor, hat sich mit dem Saarbrücker Ballett dem „Winter“ angenommen, jener Jahreszeit, der die allermeisten Menschen wegen der unangenehmen Begleiterscheinungen nicht allzu viel abzugewinnen wissen. Das gilt jedoch nicht für den Schnee, der mit Blick auf die Freuden des Wintersports vielfältig positive Konnotationen auszulösen vermag. Auf die Faszination Schnee hat sich Scafati gern eingelassen. „ Kristalle“, sagt er, „ können sich so gleichförmig verbinden, dass sie im Sonnenschein das menschliche Auge überfordern und Schnee blind machen. Sie können leicht und luftig als Flocken vom Himmel kommen – aber aus dieser Zartheit kann die entfesselte Kraft einer Lawine entstehen…“
Auf diesen Gedanken basiert seine Choreografie, die er mit der bestens eingestellten Saarbrücker Tanztruppe zu Musik von Max Richter, Davidson Jaconello und Vivaldi höchst eindrucksvoll und mit sinnlichen Tiefgang inszeniert.
So fanden vier Uraufführungen mit ProtagonistInnen, die sich durchgängig in Topform präsentierten, und weitestgehend überzeugenden Choreografien einen würdigen, vom begeisterten Publikum mit langanhaltenden Beifall gefeierten Abschluss.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der Tanzabend gänzlich ohne Bühnenbild auskam, aber durch die exzellente Lichtführung von Andreas Rehfeld einfühlsam in Szene gesetzt wurde.
Kurt Bohr
Infos: www.staatstheater.saarland