AK fordert deutlich mehr Investitionen in die saarländischen Kitas
„Das heute von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichte ‚Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme 2023‘ zeigt zum wiederholten Mal, dass die Lage in den saarländischen Kitas stark angespannt ist,“ sagt Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes. „Wir mahnen bereits seit Jahren, dass für eine qualitativ hochwertige Bildung von Anfang an umgesteuert werden muss. Doch die Situation hat sich entgegen allen Hoffnungen und bisherigen Bemühungen in den vergangenen Jahren nicht verbessert, sondern verschlechtert. Es muss schnellstmöglich massiv investiert werden, und zwar in Infrastruktur und in Personal“, fordert Otto. „Sonst wird das System kippen und das hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft!“
Die diesjährige Analyse der Bertelsmann Stiftung prognostiziert, dass auch bis 2030 im Saarland keine Chance besteht, die aktuellen Elternbedarfe zu erfüllen. Denn um den Bedarfen der Eltern zu entsprechen, fehlen in den kommenden Jahren 6.700 Kita-Plätze. „Somit erhalten auch zehn Jahre nach Verankerung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Förderung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr längst nicht alle Eltern für ihr Kind einen Kitaplatz,“ so Otto.
Hinzu kommt, dass nun auch der Platzmangel bei den Kindern im Vorschulalter zunimmt. Die Bildungsbeteiligung der Kinder von 3 bis 6 Jahren geht zurück und lag im März 2022 bei nur noch 88,2%. Das sind rund 8 Prozentpunkten weniger als im Jahr 2015. Daraus resultierenden Sprachdefizite und Bildungsungleichheiten bereits in den Grundschulen. Darüber wurde in den vergangenen Wochen im Zusammenhang mit der Situation der Sprachförderkräften mehrfach öffentlich berichtet.
Die kürzlich erschienene Studie „Frühe Ungleichheiten – Zugang zu Kindertagesbetreuung aus bildungs- und gleichstellungspolitischer Perspektive“ der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt zudem, dass sich benachteiligte Familien für ihre Kinder oft einen Kita-Platz wünschen, diesen aber zu einem hohen Anteil nicht bekommen. „Im Zuge der Chancengerechtigkeit muss von politischer Seite deshalb gewährleistet werden, dass der Zugang zu Kita-Plätzen unabhängig von der sozioökonomischen Herkunft der Familie erfolgt,“ fordert Otto eindringlich.
Zu wenig Personal wirkt sich negativ auf Bildungsqualität aus
Doch selbst wer einen begehrten Kitaplatz erhält, findet oftmals widrige Bedingungen vor – vor allem in Sachen Personalisierung: Aktuell werden 79% der Kita-Kinder im Saarland in Gruppen mit nicht-kindgerechten Personalschlüsseln betreut – in allen Altersgruppen. In saarländischen U3-Gruppen liegt der Personalschlüssel bei 1:3,8 (empfohlen: 1:3) und in Kindergartengruppen ab 3 Jahren bei 1:9,6 (Empfehlung: 1:7,5).
Um die Situation in den Kitas zu verbessern, wird deshalb deutlich mehr Personal benötigt. Laut dem aktuellen „Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule“ werden im Saarland bis zum Jahr 2025 1.600 Fachkräfte fehlen, nur um die Betreuungsbedarfe der Eltern zu erfüllen. „Von einer Verbesserung der Qualität der Bildung sprechen wir hier noch gar nicht“, sagt Otto. „Ab dem Schuljahr 2026/27 gibt es zudem einen Rechtsanspruch auf ganztätige Bildung und Betreuung in der Grundschule. Dann wird sich der Mangel an pädagogischem Personal nochmals verstärken. Denn trotz der Erhöhung der Ausbildungskapazitäten wird man in den kommenden Jahren den steigenden Bedarfen immer weniger entsprechen können“, prognostiziert Otto.
Kurzfristige Entlastungsmaßnahmen und nachhaltige Lösungsansätze jetzt angehen
Um kurzfristig die angespannte Situation in den Kitas zu verbessern, braucht es unmittelbare Lösungen. Etwa indem das pädagogische Fachpersonal durch noch mehr Hauswirtschaftskräfte unterstützt wird als bereits im Saarländischen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsgesetz (SBEBG) vorgesehen. Hierzu muss schnellstmöglich der Anteil der Hauswirtschaftskräfte pro Einrichtung erhöht werden. Zudem müssen Erzieher*innen auch durch Verwaltungskräfte von zunehmenden Verwaltungsaufgaben entlastet werden, damit sie mehr Zeit für ihre pädagogische Arbeit haben. „Dadurch könnten die Arbeitsbedingungen in den Kindertageseinrichtungen zumindest ein Stück weit verbessert werden“, so Otto. „Gute Arbeit ist die zentrale Voraussetzung, um dringend benötigte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu sichern.”
Darüber hinaus müssen bestehende Strukturen dringend überarbeitet werden. Die Situation ist so angespannt, dass alle Akteure an einem Strang ziehen müssen: Die Träger müssen alles dafür tun, offene Stellen zu besetzen und die gesetzlichen Spielräume ausnutzen. Gleichzeitig muss die Politik die Rahmenbedingungen verbessern. Das Land hat zwar bereits mehr in den frühkindlichen Bereich investiert. „Wir stehen aber weiterhin vor enormen gesellschaftlichen und bildungspolitischen Herausforderungen. Ohne eine stetige finanzielle Beteiligung des Bundes kann der Bildungs- und Betreuungsauftrag der Kindertageseinrichtungen nicht gewährleistet werden. Investitionen in das Bildungssystem sind elementar, um den Fachkräftebedarf von morgen decken zu können. Wenn hier nicht nachgesteuert wird, wird sich die soziale Spaltung in unserem Land weiter verschärfen“, so Otto abschließend.